Zur von einer Gruppe von Schülern aufgebrachten und in der Folge von der Stadtratsfraktion Bündnis 90 / Grüne / SPD aufgenommenen Forderung, Mohrenstraße und Mohrenhaus umzubenennen, vertreten wir als FDP-Stadtratsfraktion folgenden Standpunkt:
Zunächst wäre es richtig gewesen, das Ansinnen als Bitte an die Stadträte zu formulieren! Eine Umbenennung der sich im Gedächtnis der meisten Radebeuler Bürger eingeprägten Benennung der Kindereinrichtung und der Straße lehnen wir ab. Die wenigsten in Radebeul aufgewachsenen Menschen verbinden diese Benennung als rassistisch oder diskriminierend gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe. Vieleicht hängt dies auch mit der Erziehung und Lebensentwicklung dieser Bürger zusammen. Die von der Gruppe der Schüler genannte Begründung der Namensänderung ist von einer einseitigen Sichtweise geprägt. Eine Umbenennung stellt in unserem Empfinden den Versuch dar, unangenehme Sachverhalte aus der deutschen Geschichte zumindest verbal zu verdrängen. Warum? Das, in der nicht nur deutschen kolonialen Entwicklung und Vergangenheit, begangene Unrecht kann damit nicht ausgelöscht werden und sollte daher auch sprachlich als ständige Erinnerung erhalten bleiben.
In der „Sächsischen Zeitung“ vom 12. Februar findet sich auf Seite 7 ein passender Artikel zum Thema. Unter der Überschrift „Wann immer der Staat in die Sprache eingreift, kommt Mist raus“, schreibt der Sprachwissenschaftler Jürgen Trabant von der FU Berlin u. a.:
„Denn das Volk, das so spricht, wie es spricht, ist nicht qua definitionem dumm, wie die Sprachreformer immer annehmen. Das Volk verfügt aber sehr wohl über eine gewisse Weisheit.“
Er schreibt weiter. „Sprache ist etwas, was sich ständig ändert, Sprache ist einem permanenten Wandel unterworfen, aber nicht durch politische Maßnahmen.“
An anderer Stelle heißt es: „Die Menschen entscheiden letztlich, ob ein Wort dauerhaft Eingang in die Sprache findet oder nicht.“
Diesen Worten ist voll und ganz zuzustimmen. Denn selbst wenn das „Mohrenhaus“ (im Übrigen handelt es sich hier um einen sogenannten Eigennamen!) umbenannt werden sollte, beim Volk wird es immer weiter so heißen. Zahlreiche Radebeuler Kinder haben im Mohrenhaus ihre Kindergartenzeit verbracht und denken heute noch gern daran zurück. Diese Erinnerungen sind Wurzeln, sind Vergangenheit, Geschichte und Tradition. Wir brauchen sie für unsere Identität. Sie fördern den Zusammenhalt in der Gesellschaft, bringen Sicherheit und Geborgenheit. In einem Gastbeitrag für die FAZ vom 22. Februar schreibt dazu der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) u. a.: „Die Reinigung und Liquidation von Geschichte war bisher Sache von Diktaturen, autoritären Regimen, religiös-weltanschaulichen Fanatikern. Das darf nicht Sache von Demokraten werden.“
Die FDP-Fraktion verfolgt mit Sorge, dass durch diese Namensänderung eine sinnlose und nicht kontrollierbare Lawine losgetreten wird und das zur Unzeit. Im Moment haben wir wahrlich Wichtigeres zu tun! Und was ist dann mit Namen wie Kindergarten „Thomas Müntzer“, Karl-May-Straße und -Museum, Rosa-Luxemburg-Platz, Karl-Liebknecht-Straße, Dr.-Külz-Straße usw.?
Es grenzt an Bilderstürmerei. Wehret den Anfängen!